Corona ist eine schlimme Krankheit. Corona tötet. Impfen schützt. Zwar nicht vor Infektionen, aber zumindest hochgradig vor schweren Verläufen. Durch Corona gibt es Einschränkungen. Lockdowns, Besuchsverbote in Heimen oder Krankenhaus. Durch das, was für Regeln gelten, gibt es ungeahntes Leid.
Was war ich sauer, dass ich mich nicht noch mal von meiner Mutter verabschieden konnte. Meine Mutter wurde als infektiös eingestuft, obwohl dann im abschließenden Arztbericht an ihrem Hausarzt Corona negativ bescheinigt wurde. Ich hätte gerne noch mal die Hand meiner Mutter gehalten, mich von ihr verabschiedet. Nach heutigem Stand hätte ich mich auch noch bei ihr entschuldigt, dass ich ihr das Sterben zu Hause nicht ermöglichen konnte.
In der HNA aus dem Bereich Borken-Fritzlar war dieser Tage ein Bericht: „Corona bringt soviel Leid“.
Ich kann Siegfried, aus dem Bericht zu gut verstehen. Auch ich mache derzeit klar Schiff in der Wohnung. Schön muckelig soll es werden. Meine Mutter hätte es gemocht. Genauso, wie sie manche Essenkreation aus den letzten Wochen von mir genossen hätte. Ich habe zwar immer noch zu viel Kilos, wäre aber wieder in der Lage zusammen mit ihr regelmäßig herauszugehen. Auf dem Esstisch steht ein Adventsgesteck mit Kerzen, wie in jedem Jahr. Aber irgendwas fehlt: Meine Mutter ist tot.
Nie hätte ich mir an diesem Dienstag, Ende Januar ausmalen können, dass meine Mutter keine 12 Stunden nachdem sie ins Krankenhaus gekommen war, tot sein würde. Wir hatten noch gescherzt, als sie neben mir im Bett lag, als ich die Reisetasche für das Krankenhaus packte, wohl wissend, dass ich sie nicht besuchen können würde. Den Urlaub, den ich Ende September/Anfang Oktober machte, den wollten wir zusammen machen.
Die Geschwister meiner Mutter nahmen zwar jedes Zipperlein mit, wurden aber sehr, sehr alt. 84 Das war für den Zweig meiner Familie mütterlicherseits kein Alter.
Sicher würden wir uns wiedersehen. Sicher würde alles gut ausgehen. Es ist doch immer alles gut ausgegangen. Wir würden uns weiter zusammenraufen.
Nein, meine Mutter hatte kein Corona. Und hier fängt einiges für mich an, was nicht zusammenpassen will.
Tote werden allzu oft als Corona-Verdachtsfälle behandelt. Die Leichen mussten weg. Also sicherheitshalber den Haken bei Verdachtsfall gesetzt. Man hatte viele Tote zu befürchten, es gab auch zu viele, das ist unbestritten. Man konnte auch nicht auf Ergebnisse warten, im Gegensatz zum Krankenbericht zum Tod der betreffenden Person.
Was dies allerdings für die Verwandten bedeutet? Man konnte in den letzten Stunden nicht bei seinem Liebsten sein. Man hätte mich jederzeit anrufen können. Ich wohne keine 100 Meter Luftlinie vom Krankenhaus entfernt. Ich wäre sofort da gewesen, hätte bis zum Ende die Hand meiner Mutter gehalten, auch wenn es noch so schwer gewesen wäre. Aber alles wäre mir lieber gewesen, als keine Verabschiedung.
Klar, das Krankenhaus hat sich entsprechend Vorgaben verhalten. Nur diese Vorgaben sind unmenschlich. Was hätte ich mich darüber gefreut, wenn es wie in der aktuellen vierten Welle ist, dass zwar ein Besuchsverbot gilt, aber hier eine Ausnahme für werdende Väter und engste Angehörige sterbender Verwandter gilt.
In einem weiteren Bericht, den ich leider nicht mehr finde, wurde von fehlerhaften Statistiken gesprochen. Ich habe das nicht geglaubt. Ich hatte mich auf die Onlineausgabe der hiesigen Zeitung verlassen. Gerade an diesem Tag wurde nicht auf Tote eingegangen.
Keine Ahnung warum, ich habe dann die Meldungen des Kreises durchgesehen. Tatsächlich am Tag nach der Einlieferung wird vom Tot einer 84jährigen Frau mit Corona-Bezug gesprochen. Meine Mutter von so einer Meldung als etwas gebrandmarkt, was sie nicht war.
Nur am Ende wurde es für mich noch schlimmer.
In der Zeit, wo meine Mutter ins Krankenhaus kam, war Hochbetrieb im Krankenhaus. Intensivbetten am Anschlag, das hatte ich so nicht mitbekommen. Und dann kam mir das Gespräch mit der Stationsärztin wieder in den Sinn, von wegen das meine Mutter gegen Mitternacht auf Normalstation verlegt wurde und dann in der Zeit zwischen Mitternacht und 4 Uhr verstarb. Die Nachtschwester, hätte sie bei einem Routinerundgang, tot im Bett aufgefunden.
Hier kommt ein fader Beigeschmack für mich auf. Warum sollte man eine Frau, die Stunden vorher immer Minutenweise weggedämmert ist, so schnell auf Normalstation verlegen?
Nein, ich will es nicht weiter klären. Die Wahrheit würde ich wahrscheinlich ohnehin nicht herausbekommen.
Und man muss auch ehrlich mit sich bleiben: Bei der Latte an negativen Diagnosen, angefangen von ramponierten Nieren, wäre das Risiko gegeben, dass sie, selbst wenn, innerhalb der nächsten Tage doch verstorben wäre.
Aber der Beigeschmack bleibt und dieser reißt auch Wunden auf. Die Frage was wäre wenn? Was wäre, wenn meine Mutter in ein anderes Krankenhaus gekommen wäre? Auf diese Frage gibt es keine Antwort.
Es sind nicht die ersten negativen Erfahrungen. Ich kann mich noch erinnern, wie ich meine Mutter mit einem Wirbelbruch eingeliefert habe. Mit meiner Cousine war ich morgens um 9 Uhr da, auf Station kam meine Mutter abends um 18 Uhr. Mehrfach machte ich darauf aufmerksam, dass meine Mutter aufs Klo müsse und Hilfe brauchte. Im Einlieferungsbericht stand dann, dass meine Mutter vollgekotet eingeliefert worden wäre. Seit dem meide ich für mich, dieses „Krankenhaus“.
Nur einmal machte man aus meiner Sicht hier was richtig: Man brachte meinen Vater nach Hause, damit er zu Hause sterben konnte. Danach sind die Erfahrungen hier immer negativer geworden. Von der Pflege konnte man sich nie beschweren, das war im Rahmen der Möglichkeiten immer gut.
Meine Mutter ist jetzt 10 Monate tot. Wieder laufen die Stationen voll, wieder droht uns der Lockdown. Wieder besteht Gefahr, dass Menschen hinten herunterfallen. Irgendein medizinischer Verband hatte gestern oder heute berichtet, dass schon jetzt Patienten vorschnell von intensiv auf Normalstation verlegt werden.
Denke ich an meine gesundheitlichen Probleme, bekomme ich Angst. Angst davor, dass ein Patient, der sich partout nicht impfen lassen wollte, genau das Bett braucht, was ich benötigen würde, wenn eines meiner Probleme durchschlägt. Dass er dieses Bett braucht, obwohl es mit Impfung eventuell nicht nötig gewesen wäre.
Wo meine Mutter starb, wurde noch nach Gefährdungsgrad geimpft. Trotzdem kam das Anschreiben mit dem Impfangebot viel zu spät, Wochen nach ihrem Tod und mit dem Vermerk, dass eine Impfung zu Hause – die sie gebrauchen würde – ggf. noch Wochen dauern könne.
Heute haben wir genug Impfstoff. Die meisten Hausärzte impfen. Es werden zahlreiche Impfstelle neu eröffnet. Es gibt niederschwellige Impfangebote. Die Ausrede, dass impfen zu aufwendig wäre, dass man die Impfstellen nicht erreichen würde, gelten nicht mehr.
Persönliche Bedenken des Impfstoffes enden für mich an der Stelle, wo diese Einstellung Dritte gefährdet. Und wenn ein Ungeimpfter ein Intensivbett benötigt, was er geimpfter Weise mit über 90%iger Wahrscheinlichkeit nicht benötigen würde, dann gefährdet er für mich Dritte.
Schon dadurch, dass Operationen wieder verschoben werden, werden Menschen gefährdet.
Ich brauche wegen meines Magenproblems einen Termin bei einem Magen-Darm-Doc. Ich habe herumgefragt. Drei Monate Wartezeit Minimum. Meine Krankenkasse bietet, wie viele andere auch, Hilfe, wenn man dringend einen Termin braucht. Aussage: Wegen der aktuellen Corona-Lage, wäre nicht sicher, ob man einen schnelleren Termin zustande bringt. Das Gesundheitssystem am Limit.
An der Stelle kann ich nur noch appellieren: Lasst Euch impfen. Zeigt Euch solidarisch. Damit solche Abschiede wie bei den Banks aus Borken oder auch mir möglichst nicht mehr passieren.
Nächste Woche habe ich einen Arzttermin beim Hausarzt. Routine. Kontrolle der Blutwerte. Dabei werde ich auf die sogenannte Boosterimpfung ansprechen. Fällig wäre ich Ende Januar und ich bin mir sicher, dass ich da auch einen Termin bekomme. Boosterimpfungen sind nichts Ungewöhnliches. Selbst Grippeimpfungen wirken nur ein paar Monate. Länger müssen sie auch nicht, man muss nur über die Grippesaison hinwegkommen.
Bleibt gesund.
Bild: Norbert Beck – Layout: canva PRO und Norbert Beck
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Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.