Es waren die 2000er Jahre, wo ich meine erste Läuferkarriere starte. Ich hatte eine tägliche Runde hier bei uns in Eschwege. Felsenkeller, über den Treppenpfad rauf bis zum ersten Abzweig zum Bismarkturm, dort bergab zum Leuchtbergsattel, um den kleinen Leuchtberg herum in die Werraauen hinter den Leuchtbergen und entlang der Leuchtberge wieder zurück zum Felsenkeller. Eine schöne Strecke. Viel Wald, ab und zu Wild und auch wilde Vögel.
In dieser Zeit machte ein Bussard von sich Reden. Vier Jogger brachte dieser Blutgreifer ins Krankenhaus und sich damit in die Medien. Selbst die Nachrichten von RTL und SAT1 berichteten damals über diesen martialischen Vogel.
Auch ich machte mit dem Vogel Bekanntschaft. Es war mehr ein Schlag von hinten auf den Kopf. Im ersten Moment nahm ich gar nicht wirklich wahr, dass mir da ein Greifvogel von hinten am Schädel rumgekratzt hatte. Erst als ich das Tier vor mir wegfliegen, wenden und dann von vorne angreifen tat, merkte ich in welcher Gefahr ich schwebte.
Der nächste Angriff verfehlte. Der Vogel müsste nun von hinten kommen. Irgendwie bekam ich einen Stock zum greifen, warf diesen dem Vogel entgegen und traf an den Greifern. Etwas überraschend ließ der Vogel von mir ab. Ich dachte im ersten Moment, wegen meines Treffers, dass dies falsch war, genau wie meine Reaktion lernte ich erst Jahre später. Am Ende des Tages bekam ich auf dem Kopf eine gesäuberte Wunde, eine Kompresse und sicherheitshalber eine Auffrischung meiner Tetanusimpfung.
Bis 2013 waren Brigitte Bökenkamp und Bernd Bongartz Falkner im hiesigen Tierpark. Mehrere Bussarde, Falken, aber auch Käuze, Eulen und Uhus gehörten zu ihren Vögeln. Meine Mutter war Eulenfan und da sie behindert war und soviel Spaß an den Vögeln hatte, waren wir regelmäßig an Wochenenden vor Ort. Ich machte Fotos von den flinken Fliegern, meine Mutter unterhielt sich mit Uschi, Wiebke und wie die ganzen Eulen und Käuze so alle hießen. Und man hatte das Gefühl, dass die Tiere und die alte grauhaarige Frau sich gut verstanden.
Eins habe ich in der dortigen Falknerei gelernt. Keine Angst vor den wilden Vögeln zu haben. Respekt ja, aber wenn man sich verantwortungsvoll verhält, braucht man in der Regel keine Angst zu haben.
Gefahr besteht eigentlich in erster Linie im Zeitraum so ab Ende April bis etwa Juni/Juli und zwar nicht zur eigentlichen Brutzeit, sondern dann, wenn die Jungvögel geschlüpft sind. Man spricht hier von der Nest- oder Ästlingsphase.
Warum greifen Bussarde an?
Laufende Menschen werden als Gefahr wahrgenommen. Wird eine Gefahr entdeckt, bleiben dem Vogel nur zwei Möglichkeiten. Entweder er flieht oder er greift an. Solange seine Brut nicht flügge ist, ist der Greifvogel allerdings an einem Ort gebunden, was bedeutet: Ihm bleibt nur die Attacke.
Wie greifen Bussarde an?
Erstmal müssen wir uns vor Augen halten, dass so Szenen, wie manch einer sie aus Hitchcocks „Die Vögel“ im Kopf haben, nicht zu Bussarden passen. Der am meisten in Deutschland vertretene Mäusebussard ist ein Ansitzjäger.
An schönen Tagen sieht man ihm hoch am Himmel kreisen, sonst fällt er eher auf Zaunpfählen, Masten oder Bäumen auf, wo er auf seine bevorzugte Beute, also Nager bis zur Größe eines Wildkaninchens, wartet. Auch gegen auf der Straße überfahrene Tiere ist er nicht abgeneigt.
Das, was wir als Angriffe bewerten, sind in der Regel eher Scheinangriffe. Der Vogel fliegt meistens von hinten heran und dicht über den Kopf. Dabei können auch schon mal die Krallen der Greife den Kopf berühren, was zu Verletzungen führen kann.
Der Kopf wird angegriffen, weil der Bussard immer den höchsten Punkt angreift.
Wenn, denn dann doch mal mehr passiert, liegt das zum einen am Charakter des Tiers. Manche sind angriffslustiger und mutiger, andere eher ängstlich. Aber auch der Mensch mit seinem Verhalten kann die Sache natürlich noch anheizen.
Wie verhalte ich mich richtig?
Das einfachste ist, wenn man weiß, dass in einem bestimmten Gebiet ein Bussard brütet, sich für einen gewissen Zeitraum einfach eine andere Strecke zu suchen. Oft weiß man aus der Presse schon, wo schon mal Läufer oder Spaziergänger angegriffen wurden.
Eine Mütze oder ein Hut schützt vor den scharfen Krallen. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist, kann man auch einen Stock, einen Ast oder ähnliches in die Höhe halten. Der Bussard wird immer den höchsten Punkt angreifen.
Greift der Bussard an, sollte man sich achtsam, aber zügig aus dem Gebiet entfernen. Kommt man außer Reichweite des Horstes oder den im Geäst sitzenden Jungvogels, hören im Normalfall auch die Angriffe auf, da der Vogel sein Ziel erreicht hat: das Vertreiben der potenziellen Gefahrenquelle.
Bei meiner Erstbegegnung, war es wohl so, dass der Vogel nicht wegen des Treffers von mir abgelassen hat, dies hätte ihn im Extremfall nur wilder und gefährlicher machen können, sondern weil ich mich mittlerweile weit genug von seinem Nachwuchs entfernt hatte. Insofern war mein damaliges Verhalten falsch und ich hatte einfach nur Glück.
Übrigens ein kleiner Tipp: Bücken hilft nichts. Der Falkner Bernd Bongartz sagte in seinen Flugshows immer gerne einen Satz: „Ziehen sie nicht die Köpfe ein, um so tiefer sie den Kopf machen, umso tiefer fliegen die Vögel auch.“
Wie groß sind eigentlich Bussarde?
Meine Freunde aus der Falknerei bezeichneten die meisten ihrer Greifer auch als Flauschbälle mit Federn. Viel Volumen, wenig Gewicht. Bei einer Größe von größtenteils 51 bis 57 cm, haben ausgewachsene Bussarde eine Flügelspannweite von etwa 113 bis 128 Zentimeter und ein Gewicht zwischen etwa 700 – 1500 gr.
Ob ein Bussard in der Nähe ist, erkennt man meist schon weit bevor man ihn sieht am Rufen. Lautmalerisch hört man oft ein „PiiiiIIII“, schwingen noch so Silben je „jee“ nach, handelt es sich dann um einen Alarmruf, während der erstere eher zu den „Hier bin ich“-Rufen gehört.
Werden die Angriffe eigentlich immer mehr?
Ja und nein. Guckt man auf den Berichten in den Medien, liest man immer wieder von derartigen Angriffen. Allein bei einer Google-Suche nach „Bussard“ und „Jogger“ schlugen mir gleich zehn verschiedene Berichte in der Richtung entgegen.
Das Problem ist der immer größer werdende Landschaftsverlust. Der Mensch entdeckt die Natur mehr und mehr als Lebensraum für seine Freizeitaktivitäten, während es für die Tiere ihr natürlicher Lebensraum ist. Immer kleiner werdende Lebensräume und immer größere Überschneidungen bei der Nutzung der Gebiete führen natürlich zu mehr Konfliktpotential.
Wünschenswert wäre, wenn man Sport in der Natur macht, dass man sich mit dieser beschäftigt. Und dass man die Tiere und Pflanzen, die dort leben, respektiert. Und wichtig ist es zu realisieren, dass wir im Wohnzimmer der Tiere zu Gast sind und diese nicht etwa von unseren Gnaden dort leben.
Meine Erfahrungen mit den Greifvögeln
Nach meiner Ersterfahrung habe ich mir fast in die Hose gemacht, als das erste Mal einen Falknerhandschuh anhatte und der Steppenbussard des Falkners von einem Baumstamm aus bei mir auf dem Handschuh landen sollte. Ich habe viel in der Falknerei gelernt, vor allem viel Respekt vor diesen zauberhaften, eleganten Tieren.
Im Nachlauf hatte ich noch eine weitere Begegnung zu einem Jungbussard. Bei einem Trainingslauf an den Bad Sooden-Allendorfer Balzerbornteichen, fiel der Jungvogel förmlich vor mir aus den Bäumen zu Boden. Keine Ahnung, wer von uns beiden mehr erschreckt war. Ich ging auf Distanz und beobachtete, wie der Vogel sich sortierte und immer wieder Flugversuche machte. Einige Momente später bemerkte ich wie oberhalb der Bäume ein Altvogel immer wieder kreiste und ob meiner Anwesenheit sich scheinbar gestört fühlte.
Ich vergrößerte meinen Abstand immer weiter, bis irgendwann der Altvogel bei seinem Nachkommen landete.
Es wurde dunkler und frischer. Also zog ich langsam ab. 2/3 Weg um den See zurück. Bevor ich am großen See in Richtung Auto verschwand, gewann nochmal die Neugier. Ich ging vorsichtig von der anderen Seite heran. Sowohl der Altvogel, als auch der Jungvogel war weg. Ob es endlich mit dem Fliegen geklappt hatte?
Eine meiner schöneren Begegnungen mit Tieren in der freien Natur, wenn ich mal von einem zutraulichen Eichhörnchen am Leuchtberg absehe.
Tipp: Geht in die Falknereien, lernt was über die Tiere!
Brigitte Bökenkamp und Bernd Bongartz mussten leider Ende 2013 in Germerode die Zelte abbrechen. Der Tierpark konnte sich eine Falknerei enttäuschenderweise nicht auf Dauer leisten und die Kommune durfte aufgrund der schwarzen Null, die im Haushalt vorhanden sein musste, nicht helfen. Wer die beiden mal sehen möchte, müsste an die Mosel nach Cochem in den Wild- und Freizeitpark Klotten fahren. Bestellt schöne Grüße von Norbert und seiner bedauerlicherweise verstorbenen Eulen-Mutti aus Eschwege bei Germerode.
Ich habe nach dem Weggang der beiden einige Falknereien in der Gegend besucht. Hier kann ich die Falknerei am Rennsteig mitten im Wald oberhalb von Ruhla im Thüringischen empfehlen. Neben zahlreichen Greifvögeln, bieten diese tolle Flugsshow-Veranstaltungen, wo der Zuschauer auch schonmal zum Landeplatz wird. Aber auch Ausbildungslehrgänge für Kids und Schulungen werden nach Absprache angeboten.
Aus meiner Sicht kann ich einen Besuch in einer Falknerei nur empfehlen, um mehr über diese Tiere, deren Lebensweise und Lebensraum zu lernen.
Foto: Norbert Beck / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck
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Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.