Heute begann ich 50 zu werden. 365 Tage vor meinem 50ten Geburtstag. Fünfzig. Was für eine Zahl. Manch einer würde sagen, dass man nun das halbe Leben hinter sich hätte und nun wäre es Zeit, in die zweite Hälfte des Lebens aufzubrechen.
Ich komme beruflich aus einem Bereich, wo mit Computern gearbeitet wird und diese kennen nur zwei Zustände. 0 und 1 oder anders ausgedrückt: richtig oder falsch. Wenn man nun bei einem Alter von fünfzig Jahren von der Mitte des Lebens spricht, macht man was falsch. Durchschnittlich wird der deutsche Mann etwa 79 Jahre und paar Monate alt. Runden wir das der einfachheitshalber mal auf 80 Jahre auf. Dann liegt die Mitte das Leben bei vierzig und nicht bei fünfzig Jahren. Also habe ich schon zehn Jahre von der Mitte des Lebens hinter mich gebracht.
Natürlich begeht jeder die Mitte seines Lebens anders. Der eine kauft sich einen Mercedes und braust damit durchs Leben. Gut, für einen Mercedes habe ich nicht das ausreichende Geld. Und ich habe mir noch nie etwas aus Statussymbolen gemacht. Was will ich mit einem Boliden, wo ich andere Menschen von untern herauf schief angucken kann? Sowas können, meinetwegen die Bohlens, Schweigers oder Geissens des Lebens sich holen. Mein Stil ist es nicht.
Es war also der 49te Geburtstag und ich saß an der Elbe. Brücke 10 ist ein Kultlokal an den Landungsbrücken. Wenn es um Kult geht, reden die meisten eher vom Hard Rock Cafe oder anderen betagten Etablissements in der größten deutschen Hafenstadt. Für mich ist es ein einfacher Fischimbiss, wo es die teuersten Krabbenbrötchen gibt, die ich kenne – aber auch die frischesten und besten in ganz Hamburg.
Krabbenbrötchen für einen zweistelligen Eurobetrag und Sekt. Genau die Dekadenz, die man sich zu einem fast-fünfzigsten Geburtstag gönnen kann. Und trotz meines Spontanausfluges mit einem ICE war ich nicht ganz allein. Ich traf eine alte Schulfreundin und ihren Lebensgefährten.
Wir haben zusammen Abi gemacht. Und ich tat eigentlich in der Zeit so ziemlich alles, um in ihrer Nähe zu sein. Erst im Nachhinein bekam ich mit, dass sie in der Zeit mich auch nicht gerade unnett fand. Oder anders gesagt: Es wusste so ziemlich jeder, um uns herum, dass wir aufeinander standen. Nur zwei Personen wussten es nicht. Wir beide. Und ich war einfach zu feige. Es konnte halt nicht sein, dass ich bei einem so tollen Mädchen Chancen gehabt hätte. Wäre es damals anders gekommen, wäre vermutlich unser beider Leben anders verlaufen. Sie hätte nicht einen hohen Posten im Management bekommen und ich hätte vielleicht doch noch studiert. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Auf einem Bein kann man nicht stehen, also ließen wir uns bei einem Lokal an den Landungsbrücken nieder. Eine Kellnerin, mit leicht polnischen Akzent, brachte uns tschechisches Bier und mit noch ein Krabbenomelett, wo ich die starke Vermutung hatte, dass die Krabben vorher in Marokko zum Sonnen waren und überhaupt nicht mit der italienisch anmutenden Tomatensoße mit griechisch angehauchten Knoblaucharoma harmonierte.
Wir führten die Gespräche, die man so bei Feiern führt. „Bayern ist wieder Meister geworden, die spielen auch starken Fußball.“
Fußball, klar ein Männerthema. Ich bin zwar ein Mann, aber Fußball interessiert mich soviel, wie ein Eisbär bei der Skilanglauf-WM in der Sahara. Und nun ließ der Mann den Experten raushängen.
„Früher war der Fußball doch viel besser als heute.“, konterte ich. Als extremer Außenseiter Weltmeister werden, wie 1954, das ist eine Leistung. Wie das damals war, könne man ja am anderen Ufer der Elbe sehen, wo seit 2014 in einem eigens dafür gebauten Theater „Das Wunder von Bern“ als Musical aufgeführt wird.
„Wer schoss nochmal, die Tore, bei diesem legendären Finale?“
„Puskás, Morlock und zweimal Rahn. Wer war nochmal der zweite Torschütze für die Ungarn?“
Czibor hieß der zweite Torschütze. Einer der besten Linksaußen seiner Zeit.
Pah, mir einen von Fußball erzählen wollen und nicht mal den zweiten Torschützen vom legendären WM-Finale 1954 nennen können. Hätte meine Schulfreundin vor etwa 30 Jahren das gewusst, wer weiß was passiert wäre.
Gut, das war auch etwas unfair. Ich stehe zwar nicht auf Fußball, aber ich besitze eine DVD mit einer Dokumentation über diese WM, die eine Zusammenfassung des Spiels und den legendären Originalton aus dem Radio von Herbert Zimmermann unterlegt beinhaltet. Und ja, ich hatte diese vor kurzem erst gesehen.
Eigentlich hätte an diesem Tag Hafengeburtstag sein müssen. Die Stadtoberen in Hamburg hatten entschieden, dass man diesen auf den September verlegt. Daher gab es heute keine Einlaufsparade. Kein Feuerwerk – was ich natürlich als Feuerwerk zu meinen Ehren verstanden hätte – und keine viele alten Schiffe, die dicht gedrängt hintereinander an den Landungsbrücken liegen.
Wenn ich unterwegs bin, gibt es schönes Wetter. Gut, dass meine Mutter nicht mehr da ist, sie würde mich nun an einen dreißigsten Geburtstag in Eisenach erinnern, wo wir im strömenden Regen vom Eisenacher Bahnhof in Richtung Wartburg gelaufen sind.
Es war Kaiserwetter. Die Sonne schien noch als ich mich an den Landungsbrücken verabschiedete. Um eigentlich in Altona ein Konzert zu besuchen.
Als ich aus der U-Bahnstation herauskam, hatten sich doch ein paar Wolken zusammengezogen und es fing an zu regnen. Vermutlich fand ich alkoholbedingt den Regen lustig. Und in der Zeit bis ich am Bahnhof Altona ankam, musste die Sonne in Strömen auf mich niedergeregnet haben. Ich war auf jeden Fall klatschnass. Und ich fand das Bier bedingt sehr, sehr lustig. So schnell wie der Regen kam, verzogen sich die Wolken auch wieder.
Irgendwie klappte das mit den Konzerttickets nicht. Jedes Mal, wenn ich den Bestellprozess am Handy abschließen wollte, hieß es, dass Digitaltickets für die Lokation nicht bestellbar wären und man es an der Abendkasse versuchen sollte. Ich rätselte, warum ich dann Digitalticket überhaupt als Option auswählen konnte. Und ich war auch leicht beleidigt als mir die Dame am Kassenhäuschen erklärte, dass die Veranstaltung ausverkauft sei. Zumal Digitaltickets online immer noch angeboten wurden, aber nicht bestellbar waren.
Ich ließ mich in Bahnhofsnähe nieder und sah einen Jogger die Treppen hinauf joggen und stellte mir lachend vor, wie dieser Jogger im Zug nun weiterlaufen würde und am Ende behauptet, er sei 5 Kilometer in 3 Minuten gelaufen.
Einzige Zeit später wurde ich von der Bahn überrascht. War bei der Hinfahrt in Göttingen der ICE noch verspätet, stand in Hamburg-Altona der ICE pünktlichst am Bahnsteig. Gut, er hatte auch noch keine großen Chancen, sich zu verspäten. Es war die Startstation und somit der Bahnhof wo der Zug Richtung Bayowarischer Landeshauptstadt abfuhr. Wie sollte der Zug da zu spät sein? OK, ich traue der Bahn auch das zu, was nicht unbedingt für mein Vertrauen in das größte deutsche Eisenbahnunternehmen spricht.
Ich hatte noch eine Piccoloflasche Sekt, die ich vor dem Bahnhof leeren musste. Im Bahnhof herrscht Alkoholverbot. Und genau dann schossen ein paar Raketen in den Himmel. Und ich wusste genau, ich würde auch am nächsten Geburtstag nicht zu Hause sein. Und ich würde vermutlich viel laufen bis dahin. Ich weiß zwar nicht, wie das funktionieren soll. Aber in den letzten Wochen bin ich auch von Erfolg zu Erfolg und Problem zu Problem gestolpert. Und in zum Ziel stolpern, da bin ich Weltmeister.
Foto: canva PRO / Layout: canva PRO und Norbert Beck
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- Einst wollte er nur laufen. Dann kamen gesundheitliche Rückschläge und die Pflege eines Angehörigen, was zu einem jahrelangen Leben am gesundheitlichen Limit führte. Nun ist er wieder auf dem Weg zurück und sagt immer noch: „Ich bin schlank, man sieht doch nichts!“ Seine Ziele: gesünder leben, Kilos verlieren, Spaß haben und irgendwann wieder laufen.
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