Da ist ein Wurm im Gesundheitssystem

Der Gärtner freut sich über Würmer. Die graben sich durch den Boden, lockern mit den Röhren, die sie buddeln, die Erde auf. Also alles in allen gute Tierchen. Auch der Wattwurm ist gern gesehen, sowohl im Watt als auch auf Tische in kleinen Gläschen. computer-affine Menschen, wie ich, schrecken bei Würmern eher auf. Würmer befallen Rechner und verbreiten Viren auf Computersystemen. So ein negativer Wurm steckt auch in unserem Gesundheitssystem.

Ich wohne ja in einer ländlichen Gegend in der Mitte Deutschlands. Glücklich war ich mit meinem ehemaligen Hausarzt schon länger nicht, zumal ich bei meinen Magenproblemen zwar verschiedenste Medikationen, aber keine Untersuchungen bekam, was die Probleme eher schlimmer als besser machte. Also machte ich mich auf der Suche nach einem neuen Hausarzt oder einer Hausärztin.

Generell haben wir ja hier in Deutschland eine freie Ärztewahl. Ein hohes Gut, was es in vielen anderen Ländern so in dieser Form nicht gibt. Aber haben wir noch wirklich eine freie Ärztewahl oder wählen sich mittlerweile die Ärzte ihre Patienten aus?

Fangen wir mal anders an. Im Januar, gab die Landrätin des hiesigen Kreises ein Interview, wo sie sich feiern ließ, dass eine Praxis in Eschwege gerettet wurde, eine neue Richtung Ringgau/Herleshausen wieder aufgebaut wurde und das Grebendorf ein neues Hausärztepaar hat. Sähe doch alles gut aus. Es wäre schön, wenn es so wäre. Die Realität gestaltet sich leider vollkommen anders.

Dass ich nicht auf Dauer bei meinem ehemaligen Hausarzt bleiben würde, stand schon länger fest. Ja, ich habe Übergewicht. Ja, ich habe viele Krankheiten. Aber ich will ja auch was dafür tun. Das Problem war zuletzt, dass ich kaum konnte. Mal machte der Rücken in Höhe der Lendenwirbelsäule zu, dann drückte eine Stelle im Darm, wo sich scheinbar Verdautes staut, entweder so das ich Krämpfe bekam und mich kaum bewegen oder ich bekam Durchfall, das ich durch einen Reisigbesen ohne kleckern eine Flasche befüllen konnte. Wenn ich Pech hatte, kam beides aufeinander, das gerne auch schon mal aufs Wochenende und dann war selbiges gelaufen. Wirklich geholfen wurde nicht. Bei Schmerzen gabs mal eine Spritze, die mit Glück paar Tage wirkte. Aber das war alles nur Symptome abdecken.

Wir haben hier so knapp ein Dutzend Hausärzte im Ort. Hört sich erstmal gut an. Nur das Problem: Niemand nimmt Patienten auf.

Teilweise wurden die Absagen makaber bis Comedy-Reif.

Bei einer Praxis sollte ich mich in drei oder sechs Monaten wieder melden, weil vielleicht wären in der Zeit genug Patienten verschieden, sodass man wieder Kapazität für neue Patienten freihätte. Gut, ich kann den Arzt verstehen, das groh seiner Kunden sitzt in Altersheimen und da passiert es eben schonmal schneller, dass er zu einem Patienten zum letzten Mal hin muss. Aber man kann das auch feinfühliger ausdrücken.

Bei einer Gemeinschaftspraxis hätte ich erst aus Eschwege wegziehen müssen, um Patient zu werden. Die Argumentation… OK, belassen wir es mal so. Ich habe höflich angefragt. Dann kam nur die Frage, ob ich von außerhalb käme. Was ich verneinte. Auf diese Verneinung bekam ich die Aussage, dass man keine Patienten mehr aufnähme, weil man keine Kapazitäten mehr freihätte. Auf die Rückfrage, ob es denn was geändert hätte, wenn ich von außerhalb käme, kam nur Gestammel, worauf ich die Diskussion abbrach. Man könnte hier auch der Argumentation folgen: Wenn jemand von außerhalb kommt, so verbraucht der Patient keine Kapazitäten!

Was kann man nun machen, wenn es partout nicht mit einem Hausarztwechsel klappen will?

Erstmal, grundsätzlich hat jedermann ein Recht auf einen Hausarzt. Sollte man nur Absagen bekommen, hilft es, es immer wieder zu probieren. Vielleicht hat sich ja im nächsten Quartal was geändert. Einige Praxen bieten auch Wartelisten an. Kommt man auch so nicht weiter, ist es ratsam als Nächstes die Krankenkasse anzusprechen. Kann diese nicht weiterhelfen, wird diese an die Kassenärztliche Vereinigung verweisen. Und spätestens da solltet ihr geholfen bekommen.

Mein Glück war, dass ich direkt an eine junge Ärztin geraten war, wo mir das Vorgängerteam wenige Wochen vorher noch absagte. So habe ich ab Mitte April – also im neuen Quartal, wenn die Praxis nach dem Osterurlaub öffnet – wieder eine Hausärztin, mit der ich dann hoffentlich gemeinsam meine gesundheitlichen Probleme angehen werde.

Nur insgesamt macht es das Problem nicht besser.

Ein paar Beispiele:

Aus gesundheitlichen Gründen musste ich einen Routine-Termin beim Augenarzt absagen. Das war im Januar. Nun sollte man denken, ein neuer Termin könnte relativ zeitnah erfolgen. Dieses Zeitnah ist im Oktober. Neun Monate später. Wenn nicht zwischendurch jemand absagt, werde ich also noch 6 Monate auf meine Kontrolluntersuchung warten.

Mehr durch Zufall stellte ich fest, dass mein Lungenarzt, wenn das Wahlplakat einer Partei aus dem Jahr 2011 nicht lügt, mittlerweile 77 Jahre alt ist. Er ist ein Top-Arzt und ich habe ihm zu verdanken, dass ich mein Asthma wieder im Griff habe und nicht das Asthma mich. Nur ob des Alters bekommt man natürlich Angst, dass die Suche irgendwann in Kürze wieder losgeht. Und Alternativen gibt es nicht vor Ort, das heißt dann Termine in Kassel, Göttingen, Mühlhausen oder Eisenach.

Einen Magenarzt gibt es zwar in der Nähe, ich will aber nicht zu diesem. Über einen Bekannten habe ich erfahren, dass diesem empfohlen wurde, sich einen neuen Arzt zu suchen, da der Mediziner dieses Jahr die Praxis verlässt und so sich kein Nachfolger findet, die Praxis schließt.

Schaue ich nach Wehretal, Berkatal, Meißner, Wanfried, also in die umliegenden Gemeinden, sehe ich Allgemeinmediziner, die entweder die Mitte 60 schon überschritten haben, oder sich stramm auf selbige zubewegen. Auch hier sind keine Nachfolger in Sicht. Sollten die Praxen schließen, wohin dann mit diesen Patienten? Nach Eschwege, wo eh schon keine Patienten mehr aufgenommen werden?

Wir haben zwar hier im Kreis noch zwei große Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, eine orthopädische Klinik in Hessisch Lichtenau, sowie etliche Kur- und Reha-Kliniken in Bad Sooden-Allendorf. Aber daraus eine gute Fach-Arztbestückung abzuleiten, das ist fehl am Platz. Bei meinem Lungenarzt musste ich 9 Monate auf einen Ersttermin warten. Will ich zu einem Orthopäden, wartet man schon mal ein halbes Jahr.

Im Rahmen meiner Hausarztsuche ist mir z. B. aufgefallen, dass in den letzten 5 – 10 Jahren allein in unserer Stadt mindestens fünf Hausarztpraxen unwiederbringlich weg sind. Arzt aus gesundheitlichen Gründen in Ruhestand gegangen, Arzt verstorben, Arzt zurück in seine Heimat gegangen. Praxis zu und weg. Wenn ich die zuvor genannten Trends so sehe: Es werden nicht die letzten Praxen in dieser Region sein.

Den hiesigen Ärzten will ich da keine Vorwürfe machen. Die können meist eher wenig dafür, dass es viele Patienten, aber nur wenig Ärzte gibt. Das Problem liegt im System. Junge Ärzte müssen erstmal Kredite aus Studienzeiten abbezahlen. Will man eine Praxis übernehmen ist entweder eine oft hohe Ablöse nötig oder man muss sich erst die teureren Geräte für eine neue Praxis anschaffen. Dazu noch das Personal, was man einstellen und auch bezahlen muss, das Geld was man von der Kasse zur Behandlung bekommen. Man kann schon verstehen, dass kaum ein fertig studierter Mediziner das Risiko eingehen will, zumal der ländliche Raum, fürs Leben an sich, für viele auch nicht der Traum des Lebens sein dürfte.

Nur sollte man von Politikseite eins nicht machen: So zu tun, als wären die Probleme noch fern. Als würden drei Praxen, wo man was getan hat, vorhandene Probleme lösen. Der Strukturwandel ist schon da. Und leider muss man sagen, dass der ländliche Raum hier abgehängt wird. Und das stimmt einen dann schon traurig.

Foto: canva PRO / Beitragsbild-Layout: canva PRO und Norbert Beck


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